Authority Bias – Warum wir Autoritäten öfters misstrauen sollten

von | 26. 11. 2019

Der Authority Bias beschreibt unsere Tendenz, den Meinungen von Autoritäten, also beispielsweise Expert*innen oder Vorgesetzten, ein großes Maß an Genauigkeit beizumessen und uns von diesen Meinungen beeinflussen zu lassen.

„Eine hohe Dosis von Vitamin C schützt wirksam vor Erkältungen.
Das sagt Linus Pauling, und der ist schließlich zweifacher Nobelpreisträger.“

 

Nachgewiesen wurde der Authority Bias durch eines der berühmtesten Experimente der Psychologiegeschichte, dem Milgram-Experiment (Milgram, 1963). Hier sollten die Versuchspersonen einem eingeweihten Schauspieler Stromschläge mit zunehmender Intensität verabreichen. Dabei wurden keine echten Stromstöße ausgegeben, die schmerzhaften Reaktionen allerdings vom Schauspieler gespielt. Zögerten die Versuchspersonen bei der Verabreichung eines Stromstoßes, wurden sie vom Versuchsleiter dazu aufgefordert weiterzumachen.
Ziel war es, zu untersuchen wie stark sich Personen von Autoritäten (dem Versuchsleiter) beeinflussen lassen, selbst wenn sie entgegen ihren eigenen moralischen Überzeugungen handeln sollten. Tatsächlich wurden von 26 der 40 Versuchspersonen der maximale Stromstoß von 450 Volt abgegeben, eine Spannung, welche für den Menschen tödlich sein kann.

 

Warum folgen wir Autoritäten?

Einerseits kann der Authority Bias als eine Art Heuristik, also einer mentalen Abkürzung zur schnelleren Entscheidungsfindung, verstanden werden.

Anderseits werden wir im Zuge unserer Sozialisation bereits darauf trainiert Autoritäten zu folgen. Schon als Kind müssen wir auf unsere Eltern und Lehrer hören, oder riskieren bestraft zu werden. Dies setzt sich in der Arbeitswelt in vielen Fällen fort, wo Gehaltserhöhungen und Beförderungen zu einem gewissen Grad davon abhängen, dass wir tun, was uns von Autoritäten vorgeschrieben wird (Milgram, 1974).

 

Authority Bias im beruflichen Kontext

Der Authority Bias führt dazu, dass wir die Aussagen einer Autoritätsfigur ungefiltert übernehmen und nicht hinterfragen. Im beruflichen Kontext kann dies zu schwerwiegenden Fehlern führen.

So zeigt sich eine Tendenz, bei Entscheidungen mit unklarer oder nicht vorhandener Datenlage, der Meinung des Teammitglieds mit dem höchsten Gehalt zu folgen. Dieser HiPPO-Effekt (highest paid person’s opinion) führte u.a. bei der amerikanischen Einzelhandelskette J.C. Pennys zu massiven Verlusten, aufgrund einer suboptimalen Marketingstrategie (Maar, 2017).

Das Autoritätsargument wird auch häufig in hitzigen Diskussionen eingebracht, wenn man diese in eine bestimmte Richtung lenken möchte oder kein Argument mehr hat. „Der Experte, der Chef oder die Wissenschaftlerin XY hat gesagt, dass …“

Zudem tendieren wir dazu, die Aussagen einer Autoritätsfigur auf Themenfelder auszuweiten, in denen diese keinen größeren Wissenstand besitzt als wir selbst.

Diesem Halo-Effekt ist es zu verdanken, dass berühmte Schauspieler erfolgreich für unterschiedlichste Produkte wie Werkzeug oder Kosmetika werben.

 

Was können Sie gegen den Authority Bias tun?

Der Authority Bias schleicht sich unbewusst und daher unbemerkt in unsere Entscheidungsfindung ein. Deshalb ist das Wissen über diesen Bias bereits ein guter Anfang, um dessen Einfluss zu mindern.

Des Weiteren hilft es eine gewisse mentale Distanz zwischen sich und der Autoritätsfigur zu schaffen. Eine Entscheidung nicht sofort zu treffen, sondern in Ruhe und allein darüber nachzudenken, ist eine Möglichkeit eine solche Distanz herzustellen.

Die Expertise der Autoritätsfigur innerhalb eines bestimmten Themenkomplexes sollte kritisch geprüft und hinterfragt werden.

Im Unternehmensalltag ist es sinnvoll, Entscheidungsgremien und Teams vielfältig zusammenzustellen. Achten Sie darauf, dass ausreichend Querdenker*innen bei wichtigen Entscheidungen dabei sind. Motivieren Sie ihre Diskussionsmitglieder, ihre Meinung offen zu äußern. Holen Sie sich als Führungskraft von Ihren Mitarbeitenden anonymisiert Feedbacks ein. Dadurch wird die Angst vor negative Auswirkungen einer kritischen Äußerung abgemindert und das volle Potential der Belegschaft genutzt.

 

Weiterführendes

  • Maar, B. (2017). Data-Driven Decision Making: Beware Of The HIPPO Effect! Forbes. Abrufbar unter: https://www.forbes.com/sites/bernardmarr/2017/10/26/data-driven-decision-making-beware-of-the-hippo-effect/#416ac26480f9.
  • Milgram, S. (1963). Behavioral Study of obedience. The Journal of Abnormal and Social Psychology, 67(4), 371–378
  • Milgram, S. (1974). Obedience to authority: an experimental view. Harper & Row
  • Authority Bias: Lessons from the Milgram Obedience Experiment.
    https://effectiviology.com/authority-bias-the-milgram-obedience-experiment/
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