Stereotypanwendung – Wie Stereotype zu Vorurteilen werden

von | 9. 11. 2020

Stereotypanwendung: Erst wenn wir ein Stereotyp als richtig akzeptieren und in Folge anwenden, wird aus diesem ein Vorurteil.

 

Wie in unserem ersten Beitrag unserer Serie beschrieben, lässt sich der Weg, auf dem Stereotype unser Verhalten beeinflussen, in zwei Abschnitte einteilen. Während die Stereotypaktivierung größtenteils unbewusst und außerhalb unserer Kontrolle stattfindet, kann die Stereotypanwendung willentlich gesteuert werden.

Zentral für die kontrollierte Stereotypanwendung ist die affektive Komponente, die Stereotypakzeptierung, das heißt inwiefern wir an die Richtigkeit eines bestimmten Stereotyps glauben.

 

Motivation als zentraler Baustein

Ob ein Stereotyp akzeptiert wird, hängt größtenteils von unserer Motivation vorurteilsfrei zu handeln ab. Eine solche Motivation kann einen internen Ursprung haben, also von persönlichen Überzeugungen getragen sein, aber auch extern, im Sinne von sozialen Normen, entstehen.

Allerdings beeinflussen gewisse Faktoren, selbst bei höchster Motivation Vorurteile zu vermeiden, unsere Fähigkeit diese Art der Kontrolle auszuüben. So kann diese Motivation von anderen Bedürfnissen überlagert werden. Beispielsweise neigen wir zu verstärkter Stereotypanwendung, wenn unser Selbstwert gefährdet ist, wie es z.B. in Bewertungssituationen, in denen wir negatives Feedback erhalten, passieren kann (Sinclair & Kunda, 2000).

Darüber hinaus müssen wir den Einfluss eines Stereotyps in einer gewissen Situation bewusst wahrnehmen und über die Fähigkeit bzw. die kognitive Kapazität verfügen Selbstkontrolle auszuüben.

 

Zeit, Ablenkung und Stimmung – die wichtigsten Einflussfaktoren

Sowohl unsere Fähigkeit die Stereotypaktivierung bewusst zu erkennen als auch unsere Kapazität die Stereotypakzeptierung und -anwendung zu „unterdrücken“, werden maßgeblich von der vorhandenen Zeit, die uns für eine willentliche Kontrolle zur Verfügung steht, beeinflusst.

Im Allgemeinen gilt, umso mehr Zeit wir haben Kontrolle auszuüben, desto besser können wir diese Selbstregulation umsetzen. Stehen wir unter Zeitdruck verringert sich unsere kognitive Kapazität und damit unsere Fähigkeit zur Selbstregulation. Paradoxerweise steigt allerdings das Maß an Stereotypaktivierung in Situationen, in denen wir viel Zeit haben, da wir dadurch stereotypaktivierenden Reizen länger ausgesetzt sind. Dies kann zu Situationen führen in denen Stereotype zwar stark aktiviert sind, diese allerdings mit geringerer Wahrscheinlichkeit zu vorurteilsbehaftetem Verhalten führen, als Situationen die geringere Stereotypaktivierung bedingen (Rivers et al., 2019).

Ähnlich verhält es sich mit dem Einfluss von Ablenkungen. Während die durch Ablenkung verringerte kognitive Kapazität zu einer Minderung der Stereotypaktivierung führt, erhöht die geminderte Kapazität die Wahrscheinlichkeit einer Stereotypanwendung (Gilbert & Hixon, 1991).

Auch unsere Stimmung hat beträchtlichen Einfluss. Sind wir positiv gestimmt verwenden wir häufiger übergeordnete Wissensstrukturen wie Schemata oder eben auch Stereotype. Dadurch wenden Personen in positiver Stimmung Stereotype häufiger an als negativ gestimmte Personen (Krauth-Gruber & Ric, 2000).

 

Wie können Sie die Stereotypanwendung bei Entscheidungen vermeiden?
  • Stärken Sie vor wichtigen (Personal-)Entscheidungen Ihre Motivation vorurteilsfrei zu handeln. Legen Sie ein persönliches Commitment ab, alle Personen fair und objektiv zu beurteilen.
  • Nutzen Sie Methoden wie das Counter-Stereotype Imaging oder Wenn-Dann Pläne. Dadurch kann sich das Ausmaß einer möglichen Stereotypaktivierung reduzieren und stereotypinkonsistente Informationen sind während des Entscheidungsprozesses leichter abrufbar. 
  • Schaffen Sie ideale Rahmenbedingungen, welche die Selbstregulationsfähigkeit stärken. Planen Sie genügend Zeit ein und sorgen Sie für möglichst wenige Ablenkungen.

 

 

Weiterführendes

  • Gilbert, D. T., & Hixon, J. G. (1991). The trouble of thinking: Activation and application of stereotypic beliefs. Journal of Personality and Social Psychology, 60(4), 509–517. https://doi.org/10.1037/0022-3514.60.4.509
  • Krauth-Gruber, S., & Ric, F. (2000). Affect and stereotypic thinking: A test of the mood-and-general-knowledge model. Personality and Social Psychology Bulletin, 26(12), 1587–1597. https://doi.org/10.1177/01461672002612012
  • Rivers, A. M., Sherman, J. W., Rees, H. R., Reichardt, R., & Klauer, K. C. (2019). On the roles of stereotype activation and application in diminishing implicit bias. Personality and Social Psychology Bulletin, 46(3), 349–364. https://doi.org/10.1177/0146167219853842
  • Werth, L., Seibt, B., & Mayer, J. (2020). Vorurteile. In L. Werth, B. Seibt, & J. Mayer (Hrsg.), Sozialpsychologie – Der Mensch in sozialen Beziehungen (S. 227–321). Springerhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-53899-9_4
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