Ist eine Person vertrauenswürdig oder nicht? Diese Entscheidung fällt unser Gehirn in Sekundenbruchteilen – und das Urteil wird von unseren impliziten Einstellungen gegenüber ethnischen Gruppen beeinflusst.
Man bekommt nie eine zweite Chance, einen ersten Eindruck zu hinterlassen – eine Binsenweisheit, deren Wahrheitsgehalt WissenschaftlerInnen jetzt auf beeindruckende Art bestätigt haben. Mit diesen Worten fasst der SPIEGEL ONLINE (2014) die Forschungsergebnisse des Teams um Jonathan Freeman von der New York University zusammen. Die WissenschaftlerInnen haben die automatischen Denkprozesse in der Amydgala untersucht. Diese Hirnregion kann Signale, wie die Vertrauenswürdigkeit von Gesichtszügen verarbeiten, ohne dass das Gesicht überhaupt bewusst wahrgenommen wird (Freeman JD et al. 2014).
In den Experimenten wurden den Probanden kurz Bilder von Personen gezeigt, bei denen Gesichtsmerkmale wie Augenbrauen und Wangenknochen betont waren, von denen man weiß, dass Menschen sie nutzen, um ihr Gegenüber zu beurteilen. Dabei konnten verstärkte Gehirnaktivitäten in der Amygdala gemessen werden. „Die Ergebnisse passen zu anderen Forschungsergebnissen, die nahelegen, dass wir unser Urteil über andere Menschen spontan fällen, ohne dass das Bewusstsein hinzugezogen wird“, meint Freeman.
Biases gegenüber Ethnien beeinflusst, mit wem wir Geschäfte machen.
Ob wir jemand vertrauen oder nicht, hängt auch davon ab, welcher ethnischen Gruppe die Person angehört. Dies hat der Psychologe Damien A. Stanley (Stanley AD et al. 2010) in einem Forschungsprojekt festgestellt. „Wir konnten aufzeigen, dass eine implizite Präferenz für bestimmte Ethnien auch unser Urteil über deren Vertrauenswürdigkeit prägt“, sagt Stanley. Zudem betont er, dass dieser Implicit Social Bias auch voraussagen lässt, ob wir dem Gegenüber auch in wirtschaftlichen Belangen vertrauen oder nicht.
In den Experimenten wurden zuerst die impliziten Präferenzen der Probanden für „Schwarze und Weiße“ anhand des IAT – Implicit Association Test gemessen. Die Testpersonen stammten ebenfalls aus unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen, wie z.B. LateinamerikanerInnen, Weiße, AsiatInnen, Schwarze und multiethnische Personen. Danach konnten diese in einem Spiel (Trust-Game) entscheiden, welchem Gegenüber sie wie viel Geld anvertrauen.
Grundsätzlich zeigten die Ergebnisse keine Unterschiede in den durchschnittlichen Geldhöhen für Schwarze und Weiße auf. Eine deutliche Korrelation gab es jedoch in den individuellen IAT-Ergebnissen und den anvertrauten Geldmengen. Eine „pro-black“ Präferenz führte dazu, dass die Probanden dem schwarzen Gegenüber auch mehr Dollar gaben. „Wem wir vertrauen, ist nicht nur eine Sache der Vertrauenswürdigkeit, sondern auch ein Spiegelbild unserer selbst“, sagt Stanley.
Weiterführendes:
- Freeman, B. Jonathan et al. (2014): Amygdala Responsivity to High-Level Social Information from Unseen Faces. In: The Journal of Neuroscience, August 6, 2014 34(32):10573–10581
- SPIEGEL ONLINE (2014): http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/gehirn-beurteilt-vertrauenswuerdigkeit-in-millisekunden-a-984762.html
- Stanley, A. Damien; Sokol-Hessner, Peter; Banaji R. Mahzarin; Phelps, A. Elizabeth (2011): Implicit race attitudes predict trustworthiness judgments and economic trust decisions. In: Psychological and cognitive sciences. PNAS May 10, 2011 vol. 108 no. 19 7710-7715