Von Racial Profiling oder Ethnical Profiling wird dann gesprochen, wenn Personen von Mitarbeitenden der Polizei- und Ordnungsbehörden aufgrund ihres Erscheinungsbildes, ihrer Hautfarbe, Religionszugehörigkeit oder ähnlichem als verdächtig beurteilt werden und nicht aufgrund ihres expliziten Verhaltens.
Wie Jack Glaser von der University of California Berkley anhand von Simulationsstudien zeigen konnte, ist Racial Profiling eine sehr ineffiziente Methode zur Fahndung und Verbrechensbekämpfung. Es erreicht, im Vergleich zu anderen Verfahren, eine deutlich niedrigere Trefferquote. Des Weiteren führt Racial Profiling zur Verstärkung rassistischer Stereotype in einer Gesellschaft und schwächt die Bereitschaft zur Kooperation mit der Exekutive bei Angehörigen marginalisierter Gruppen. Racial Profiling gilt als diskriminierend und ist u.a. in den USA und Europa verboten. Dennoch ist es, wie aktuelle Fälle zeigen, ein weit verbreitetes Phänomen, bei dem Stereotype und Unconscious Bias eine gewichtige Rolle spielen.
Racial Bias und die Situation
Im Zentrum dieser Problematik stehen in einer Gesellschaft weit verbreitete Stereotype, wie z.B., dass dunkelhäutige Personen häufiger kriminelle Handlungen begehen. Derartige Stereotype werden häufig unbewusst aktiviert und beeinflussen in Folge unser Urteil und unser Verhalten. In der Wissenschaft werden diese kognitiven Verzerrungen auch unbewusste Vorurteile oder Unconscious Bias genannt. Liegen Stereotypen Hautfarbe oder ethnische Herkunft zugrunde, wird von Racial Bias gesprochen. Im Kontext der Polizeiarbeit heißt dies, dass selbst Polizist*innen, welche explizit eine antirassistische Einstellung aufweisen, in ihrem Handeln durch unbewusste automatische Stereotype beeinflusst werden können, was in weiterer Folge zu Racial Profiling und anderen diskriminierenden Verhaltensweisen der Polizei führen kann.
Der Grad in dem sich Racial Bias auf unser Verhalten auswirkt wird stark von situativen Umständen geprägt. Befindet sich ein*e Polizist*in in einem Gebiet mit erhöhter Kriminalitätsrate, wie es z.B. bei Schwerpunktkontrollen üblich ist, begünstigt dies die Aktivierung von Racial Bias. Eine solche Schwerpunktkontrolle führte auch zu dem medial am stärksten rezipierten Fall von Racial Profiling in Österreich innerhalb der letzten Jahre. Hier wurden österreichische Musiker dunkler Hautfarbe, während eines Arbeitstreffens in einem Park, einer Identitätsfeststellung unterzogen und aus dem Park verwiesen, ohne kriminelle oder verdächtige Handlungen begangen zu haben. Weitere situative Faktoren, welche die Aktivierung rassistische Stereotype begünstigen, sind uneindeutige und möglicherweise gefährliche Situationen, welche regelmäßig in der Polizeiarbeit vorkommen.
Stereotype die sich selbst bestätigen
Sowohl auf Seiten der Polizei wie auch auf jener der von der Polizei kontrollierten Person, können aktivierte Stereotype zu Verhaltensweisen führen, die den jeweiligen Stereotyp bestätigen. Für dieses erwartungsbestätigende Verhalten wird der Begriff der stereotypen Bedrohung verwendet (engl. Stereotype Threat). Er geht auf Steele und Aronson (1995) zurück, die in mehreren Experimenten zeigten, dass schwarze College-Anfänger*innen und -Zehntklässler*innen bei standardisierten Tests schlechter abschneiden als weiße Studierende, wenn ihre Hautfarbe betont wird.
Im obigen Fall der Musiker könnte der Stereotype Threat dazu geführt haben, dass sich die Polizist*innen in einer Weise verhielten, welche die Kontrollierten dazu brachte sich entsprechend dem Stereotype der eigenen Gruppe zu verhalten. Ein solcher Kreislauf aus Stereotypaktivierung und daraus resultierenden Handlungen, kann v.a. im Kontext der Polizeiarbeit gravierende Folgen nach sich ziehen, wie der Tod von George Floyd in den USA auf tragische Weise zeigte. Dieser Fall führte im Rahmen der Black Life Matters Bewegung zu globalen Protesten gegen strukturellen Rassismus und Gewalt in der Polizeiarbeit.
Mittel gegen Racial Profiling und Racial Bias
Zunächst muss erwähnt werden, dass trotz dahingehender Aufforderungen der EU seit den letzten 20 Jahren kein EU-Land, außer Großbritannien, Statistiken zu Polizeikontrollen und der Ethnie der kontrollierten Personen erhebt und veröffentlicht. Eine genaue Abschätzung über Häufigkeit und von Racial Profiling besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen ist daher nicht möglich. Die Berufsgruppe der Polizei ist durch den situativen Kontext in der die Arbeit stattfindet, wie auch durch den überproportionalen Kontakt mit Angehörigen einer stereotypisierten Gruppe welche diesen Stereotyp erfüllen, besonders anfällig dafür von unbewussten Vorurteilen beeinflusst zu werden. Aus diesem Grund werden für diese Berufsgruppen in den USA und einigen anderen Ländern bereits verstärkt Anti-Bias-Trainings durchgeführt.
Weiterführendes:
- Spencer, K. B., Charbonneau, A. K., & Glaser, J. (2016). Implicit Bias and Policing: Implicit Bias and Policing. Social and Personality Psychology Compass, 10(1), 50–63. https://doi.org/10.1111/spc3.12210
- Jack Glaser: https://alumni.berkeley.edu/events/california-live/cracking-the-code-jack-glaser
- Bericht der European Comission against Racism and Intolerance: https://rm.coe.int/report-on-austria-6th-monitoring-cycle-translation-in-german-/16809e826e
- Wiener Musiker wirft Polizei Rassismus vor. DerStandard: https://www.derstandard.at/story/2000089381487/wiener-musiker-wirft-polizei-rassismus-vor
- 8 Minuten, 46 Sekunden. Der Tod von George Floyd. https://www.sueddeutsche.de/politik/george-floyd-tod-polizeigewalt-videos-rekonstruktion-1.4928047
- Factsheet über Ethnic Profiling in Österreich der Open Society Justice Initiative: https://www.justiceinitiative.org/uploads/2027cf06-3004-475a-8ded-892cee4490d9/Factsheet-ethnic-profiling-20091001-GER_0.pdf
- National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine. (2018). Proactive Policing: Effects on Crime and Communities. Washington, DC: The National Academies Press. Abrufbar unter: https://www.nap.edu/read/24928/chapter/9