Der Pygmalion-Effekt: Gute Erwartungen bewirken gute Leistungen

von | 7. 09. 2016

Der Pygmalion-Effekt: Gute Erwartungen bewirken gute Leistungen

Der Pygmalion-Effekt besagt, dass sich gewisse Erwartungen in Bezug auf das Verhalten von Menschen tatsächlich auf deren Leistungen und Entwicklungen auswirken können. Es handelt sich dabei um eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Pygmalion im Unterricht – das Sensationsexperiment der späten Sechzigerjahre

Der Pygmalion-Effekt wird auch Rosenthal-Effekt oder Versuchsleiter-Erwartungseffekt genannt. Dieser geht auf die klassischen Untersuchungen von Rosenthal und Jacobson (1966) zurück. Die Ergebnisse waren die Sensation der späten Sechzigerjahre und lösten heftige Kontroversen aus.

Die SozialpsychologInnen Robert Rosenthal und Leonore Jacobson hatten im Rahmen eines Experiments eine Reihe von Grundschulkindern zufällig ausgewählt. Den Lehrkräften hatten sie mitgeteilt, dass sich diese Kinder im Verlauf des nächsten Jahres intellektuell hervorragend entwickeln würden. Ein Jahr später schnitten die zufällig benannten Kinder bei einem Intelligenztest tatsächlich besser ab als zu Beginn des Experiments.

In späteren Studien wurden die Ergebnisse mehrfach bestätigt. Insbesondere in den unteren Schulklassen wirkt der Pygmalion-Effekt stark. Videoanalysen von Chaiken et al (1974) zeigten, dass Lehrer*innen die „intelligenten“ Schüler*innen mehr anlächeln, mehr Augenkontakt haben und ihre Kommentare mehr loben. Dieses meist unbewusste Verhalten beeinflusst die tatsächlichen Leistungen der Betroffenen. Dies gilt selbst dann, wenn die Schüler*innen von den Erwartungen nichts wissen und die Lehrer*innen glauben, sich neutral zu verhalten (vgl. Freimuth und Haritz, 2009).

Zudem können die aufbauenden oder demoralisierenden Effekte deutlich größer sein, wenn die Betroffenen aus benachteiligten oder stigmatisierten Gruppen kommen, wie z.B. Migrant*innen, ethnische Minderheiten, sozial schwachen Schichten usw. Der Pygmalion-Effekt mit negativen Wirkungen wird auch manchmal Golem-Effekt genannt.

Pygmalion war ein Bildhauer aus der griechischen Mythologie. Er schuf die Statue einer Frau, in die er sich verliebte, da er sie für lebendig hielt. Aufgrund seiner Entschlossenheit gaben die Götter, angeführt von Aphrodite, seinem Wunsch nach und belebten seine Marmorstatue.

Der Pygmalion-Effekt in der Personalarbeit

Der Pygmalion-Effekt kann auch in den unterschiedlichsten Bereichen der Führungsarbeit seine positiven oder negativen Wirkungen zeigen (vgl. Freimuth und Haritz, 2009), z.B. in der

  • täglichen Führung: Führungskräfte, die überzeugende Ziele vorgeben, eine inklusive Arbeitskultur fördern und tragfähige Anforderungen schaffen, bewirken meist auch eine verstärkte Identifikation, Nähe und Akzeptanz bei den Mitarbeiter*innen.
  • Personalauswahl: Oft reicht eine „Wer ist denn die neue Person“-Recherche in Internet und schon wird das Fundament für eine sich selbst erfüllende Prophezeiung gelegt. Vorinformationen können die Wahrnehmung der Kompetenzen und Qualifikationen der BewerberInnen verzerren. Dadurch wird ein Kandidat oder die Kandidatin schlechter oder besser beurteilt.
  • Personalbeurteilung: Implizite Bilder von Mitarbeiter*innen lösen entsprechendes Verhalten aus und beeinflussen eine objektive Beurteilung.
  • On-Boarding und Personalentwicklung: Hohe oder geringe Erwartungen an neue Mitarbeiter*nnen können zu unterschiedlich schnellen Karriereschritten führen.

Strategien zur Verringerung

Wie bei allen Unconscious Biases lassen sich beim Pygmalion-Effekt die Wirkungen nicht vermeiden, sondern nur durch bewusste Reflexionsschleifen verringern. „Was gefällt mir an einer Person? Was sind seine/ihre wichtigsten Eigenschaften? Was macht er/sie besonders gut? Was finde ich intuitiv an der Arbeit gut?“. Durch eine gezielte Fokussierung auf die Person können wir eventuelle falsche oder verzerrte Bilder verändern.

Zudem können Systematisierungen von Prozessen (z.B. einheitliche Beurteilungskriterien, standardisierte Fragen bei Interviews usw.) sowie Entscheidungen im mehr-Augen-Prinzip bei der Vermeidung des Pygmalion unterstützen: Bias im HR-Bereich! Wie Sie diesen entgegenwirken können.

Weiterführendes

  • Chaiken, A. L., Sigler, E, & Derlega, V. J. (1974). Nonverbal mediators of supervisor expectancy effects. Journal of Personality and Social Psychology, 30, 144-149.
  • Freimuth, Joachim und Haritz, Jürgen (2009): Der Pygmalion-Effekt in der Personalführung. In: WiSt – Wirtschaftswissenschaftliches Studium. Heft 6 – Ausgabe 2009. Verlag Beck: München.
  • Jussim, L. & Harber, K. D. (2005). Teacher expectations and self-fulfilling prophecies: Knowns and unknowns, resolved and unresolved controversies. Personality and Social Psychology Review, 9, 131-155.
  • Rosenthal, R. & Jacobson, L. (1966): Teacher’s expectancies: Determinats of pupils‘ IQ gains. In: Psychological Reports, 19, S. 115-118
  • Rosenthal, R. & Jacobson, L. (1968). Pygmalion in the classroom. New York: Holt, Rinehart & Winston.

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Manfred Wondrak, MBA
Tel: +43 1 581 19 09

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