Negative Gedanken, Gefühle und Erlebnisse haben einen stärkeren Einfluss auf unser Denken und Handeln als positive.
Diese grundlegende Tendenz wird als Negativitätsbias oder Negativitätsdominanz bezeichnet. Sie führt dazu, dass uns die eine verpatzte Präsentation besser im Gedächtnis bleibt als die vielen gelungen; dass das eine unfreundliche Gesicht in der Menge uns stärker auffällt, als die vielen freundlichen oder der eine Kritikpunkt eines Feedbacks uns noch wochenlang beschäftigt, während die Worte des Lobes schon längst vergessen sind (Rozin & Royzman, 2001).
Es gibt kaum einen Bereich unseres Lebens, welcher nicht durch den Negativitätsbias beeinflusst wird. In Beziehungen führen kleine Fehltritte zu großem Streit, weil wir im Moment nur das Negative an unserem Gegenüber sehen. Bei Investitionen oder der Unternehmensführung treffen wir schlechte oder sogar fatale Entscheidungen, weil ein Verlust sich deutlich schlechter anfühlt, als sich ein Gewinn gut anfühlt. Medien überhäufen uns mit schlechten und alarmierenden Nachrichten, weil wir diese besonders häufig anklicken und lesen, was wiederum unseren Hang zur Negativität nur noch weiter verstärkt (Baumeister et al., 2020). Doch woher kommt dieser Bias und welchen Zweck könnte er erfüllen?
Von Löwen und Beeren – Negativität als Überlebensstrategie
In der Frühgeschichte der Menschheit war es wohl wichtiger sich zu merken wo ein gefährliches Löwenrudel auf der Jagd war, als wo die am besten schmeckenden Beeren wuchsen, schließlich ging von den Löwen eine deutlich höhere Gefahr für das eigene Überleben aus. Dementsprechend wird davon ausgegangen, dass sich eine „kognitive Präferenz“ für negative Informationen in diesem Umfeld entwickelte und sich als instinktiver Überlebensmechanismus bis heute in unserem Denken gehalten hat.
Im heutigen Leben haben wir es allerdings selten mit solch direkten Gefahren für unser Überleben zu tun. Die Sorgen und Ängste sind nunmehr deutlich abstrakter und ein übermäßiger Fokus auf das Negative ist bei deren Lösung nicht nur wenig hilfreich, es macht das Führen eines glücklichen Lebens und das Treffen guter Entscheidungen sogar noch schwerer. Doch gibt es Wege sich diesem angeborenen Instinkt zu widersetzen?
Mittel gegen den Negativitätsbias
Obwohl der Negativitätsbias alle Menschen betrifft und als adaptiver Überlebensmechanismus seinen Einfluss auf uns automatisch und unbewusst ausübt, sind wir ihm nicht schutzlos ausgeliefert. Zum Beispiel zeigte sich über mehrere Studien hinweg, dass mit zunehmendem Alter, der Einfluss des Negativitätsbias sinkt. Einer der Gründe für diese Abnahme über die Lebensspanne hinweg, könnten die unterschiedlichen Ziele von älteren und jüngeren Personen sein. Während in jungen Jahren ein Fokus auf das Erkunden der Welt liegt, scheint in älteren Jahren das Genießen der verbleibenden Zeit im Vordergrund zu stehen. Dieses Motiv des Genießens könnte dazu führen, dass negative Ereignisse oder Gedanken als diesem Ziel widersprechend wahrgenommen werden und dadurch eher aktiv unterdrückt werden (Carstensen & DeLiema, 2018).
Wie bei den meisten unbewussten Mechanismen unserer Psyche bedarf es oft einer bewussten Korrektur dieser Verzerrungen. Diese kann durch das Wahrnehmen dieser Verzerrung und ein achtsames Lenken der Aufmerksamkeit auf positive oder angenehme Tatsachen erfolgen. In diesem Sinne kann auch oft die positive Seite eines negativen Ereignisses betrachtet werden. In vielen Fällen können z.B. Fehlschläge wie eine verpatzte Präsentation als durchwegs starke Motivatoren dienen, es das nächste Mal besser zu machen. Sofern wir uns im Falle eines Fehlschlages also nicht zu sehr in Selbstkritik verlieren und ausschließlich das Schlechte sehen, kann der Negativitätsbias auch in der modernen Gesellschaft eine nützliche Funktion erfüllen.
Quellen und Weiterführendes
- Baumeister, R. F., Tierney, J., Schmid, B., & Campus Verlag. (2020). Die Macht des Schlechten Nicht mehr schwarzsehen und gut leben.
- Carstensen, L. L., & DeLiema, M. (2018). The positivity effect: A negativity bias in youth fades with age. Current Opinion in Behavioral Sciences, 19, 7–12.
- Rozin, P., & Royzman, E. B. (2001). Negativity Bias, Negativity Dominance, and Contagion. Personality and Social Psychology Review, 5(4), 296–320.