Wir und die Anderen – In-Group und Out-Group Bias

von | 2. 01. 2023

Schon früh in unserer Entwicklungsgeschichte lebten wir Menschen in sozialen Gruppen. Die daraus entstehende Kooperation erleichterte das Überleben und formte nachdrücklich unseren Blick auf die Welt. Wir nehmen schnell Gruppenzugehörigkeiten war und handeln dementsprechend. Die dadurch entstandenen In-Group Bias und Out-Group-Bias können allerdings dazu führen, dass Kooperation abnimmt und Konflikte zunehmen.

 

In-Group und Out-Group Bias im Unternehmen

Die Sozialforschung zeigt, dass wir zwischen den Eigengruppen (In-Groups), denen man sich zugehörig fühlt und den Fremdgruppen (Out-Groups), auf welche das nicht zutrifft, differenzieren. Unterscheidungsmerkmale können klassische Identitätsmerkmale, wie Geschlecht oder Nationalität, aber auch andere Faktoren sein. In Unternehmen spielt oft die Zugehörigkeit zu einer Abteilung oder einem Bereich eine Rolle.

Wenn wir uns einer Gruppe zugehörig fühlen, entsteht ein „Wir-Gefühl“. Mitglieder der Eigengruppe wirken meist vertrauter und sympathischer. Deren Besonderheiten werden verstärkt wahrgenommen und hochgeschätzt. Negative Eigenschaften werden heruntergespielt. Diese Bevorzugung und damit verbundene Wahrnehmungsverzerrungen (Unconscious Biases) werden In-Group Bias genannt.

„Die von der Abteilung XY sind alle so! Die haben eh keine Ahnung“.

Anders ist es mit der Fremdgruppe. Deren Mitglieder werden schnell abgewertet und als einander ähnlich wahrgenommen. Der Out-Group Bias kann auch zu Vorurteilen, Stereotypen und Diskriminierungen führen. Für Mitglieder der Fremdgruppen zeigen wir außerdem weniger Empathie. Zudem sind wir diesen gegenüber weniger hilfsbereit, während wir Mitgliedern der eigenen Gruppe aus oft irrationalen Gründen Vorteile verschaffen.

Der In-Group und Out-Group Bias spielen eine dementsprechend große Rolle bei der Entstehung von Kontroversen zwischen Gruppen. In ihrer extremen Ausprägung führen derartige Intergruppenkonflikte zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Weniger dramatisch in ihren weltpolitischen Auswirkungen und den meisten Menschen geläufig sind die Bildung von Cliquen in der Schule oder auch rivalisierende Fan-Gruppen im Sport. Da wir bei der Herstellung von Gruppen äußerst „begabt“ sind, diese also weitgehend automatisch und anhand von oft nur sehr oberflächlichen Kriterien erfolgen kann, zieht sich der Einfluss dieser kognitiven Verzerrung in fast alle Bereiche unseres Lebens.

  • Interessenskonflikte: Verschiedene Abteilungen innerhalb eines Unternehmens verfolgen verschiedene Interessen, die gegeneinander ausgespielt werden. Während sich beispielsweise die Entwicklungsabteilung bei der Entwicklung eines neuen Produkts auf Kreativität und Innovation fokussiert, hat die Produktion eher das Ziel der Kosten- und Ressourcenminimierung.
  • Ressourcenkampf: Abteilungen werden gegeneinander ausgespielt. Es herrscht Konkurrenzdenken und es wird um Budgets bzw. Ressourcen gekämpft.
  • Eigensabotage: Der oben beschriebene Interessenskonflikt hat oft zur Folge, dass die verschiedenen Bereiche zwei verschiedene Wege zum gleichen Ziel suchen, was Ressourcen und Zeit kostet. Auf lange Sicht führt das zu der Selbstsabotage des Unternehmens.
  • Silodenken: Beschreibt die mangelnde abteilungsübergreifende Kooperation, was zu weniger Innovation innerhalb des Unternehmens führt.

 

So reduzieren Sie In-Group und Out-Group Bias!

Gruppenkonflikte zu vermeiden ist eine sensible Aufgabe zwischen der Würdigung der einzelnen Gruppen und dem Schaffen eines übergeordneten Gemeinschaftsgefühls. Folgende Schritte können dabei helfen den In-Group und Out-Group Bias zu reduzieren:

Bewusstheit: Der erste Schritt ist die Schaffung von Bewusstheit und Wachsamkeit gegenüber dem Einfluss dieses Bias, was durch ein Unconscious Bias Training erreicht werden kann.

Übergeordnete Ziele: Durch das Hervorheben und vor allem das Sichtbarmachen der übergeordneten Ziele des Unternehmens und dem Beitrag, welche die einzelnen Abteilungen bei der Erreichung dieser Ziele leisten, können Kooperation und Unterstützung zwischen Gruppen innerhalb des Unternehmens gestärkt und Konflikte vermieden werden. Dabei entsteht das Gefühl auch einer einzigen großen Gruppe anzugehören, anstatt in kleinere, miteinander konkurrierende Gruppen aufgeteilt zu sein.

Interdisziplinäre Teams: Eine der effektivsten Möglichkeiten Intergruppenkonflikte zu vermeiden ist möglichst viel Kontakt zwischen den Gruppen zu ermöglichen. Fach- und abteilungsübergreifende Teams zu bilden, fördert die Innovation und Ideenfindung durch die Kombination verschiedener Perspektiven. Die Teams können sich so frei untereinander austauschen und gemeinsam Ideen entwickeln. Dadurch wird Empathiefähigkeit gefördert, irrationale Vorurteile werden abgebaut und Gemeinsamkeiten verstärkt wahrgenommen. So entsteht das Gefühl, Teil einer auf Kooperation gegründeten Gemeinschaft zu sein.

Jobrotation: Bei einer Jobrotation wechseln Mitarbeitende für eine bestimmte Zeit oder für immer innerhalb des Unternehmens die Abteilungen. So bekommen alle Mitarbeitenden einen Einblick in andere Abteilungen. Dies hilft, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und fördert die abteilungsübergreifende Kooperation. Der Nachteil an dieser Methode ist, dass es sehr aufwendig ist, Mitarbeiter immer wieder in neue Bereiche einzuarbeiten, weswegen sie nicht überall gleichermaßen anwendbar ist. „Schnuppertage“ in anderen Abteilungen können aber bereits ein effektiver Kompromiss sein.

Gruppen würdigen: Wenngleich die Schaffung eines übergeordneten Gruppengefühls wichtig ist, verschwinden dadurch die Grenzen zwischen z.B. den Abteilungen eines Unternehmens nicht. Da Gruppen oft sehr empfindlich gegenüber wahrgenommenen Bedrohungen von außen sind, ist es auch wichtig sie in ihrem Beitrag bei der Erreichung von gemeinschaftlichen Zielen zu würdigen.

 

 

Weiterführendes und Quellen:

  • Aronson, E., Wilson, T. D., Akert, R. M. (2008): Sozialpsychologie (6. Auflage). Pearson Studium.
  • Böhm, R., Rusch, H., & Baron, J. (2020). The psychology of intergroup conflict: A review of theories and measures. Journal of Economic Behavior & Organization, 178, 947–962. https://doi.org/10.1016/j.jebo.2018.01.020
  • Kershaw, C., Rast, D. E., Hogg, M. A., & Knippenberg, D. (2021). Battling ingroup bias with effective intergroup leadership. British Journal of Social Psychology, 60(3), 765–785. https://doi.org/10.1111/bjso.12445
  • Molenberghs, P., & Louis, W. R. (2018). Insights From fMRI Studies Into Ingroup Bias. Frontiers in Psychology, 9, 1868. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2018.01868
  • Tajfel, H. et al (1971): Social categorization and intergroup behavior, in: European Journal of Social Psychology 1, 1971 S. 149–178

 


 

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