Leistungsbeurteilungen sind ein wesentlicher Teil des Personalmanagements, welches über die Entwicklungsmöglichkeiten von Arbeitnehmerinnen entscheidet. Trotz des Anspruchs auf Objektivität und Fairness, können Gender Bias dazu führen, dass Leistungen je nach Geschlecht unterschiedlich bewertet werden und dadurch Entwicklungschancen verbaut werden.
Ursachen für Gender Bias
Eine der Hauptursachen für den Gender Bias in Leistungsbeurteilungen liegt in den tief verwurzelten Stereotypen und Rollenerwartungen, die unsere Gesellschaft prägen. Traditionell werden Frauen beispielsweise mit Eigenschaften wie Fürsorglichkeit, Emotionalität und Bescheidenheit assoziiert, während Männer oft mit Merkmalen wie Durchsetzungsvermögen, Rationalität und Führungsstärke verbunden werden. Basierend auf diesen Stereotypen, werden Frauen im Arbeitskontext mit geringem Aufstiegsinteresse, Sozialkompetenz und Mitgefühl assoziiert, währen Männer mit Eigenschaften wie Dominanz und Führung, analytischen Fähigkeiten, sowie einem hohen Aufstiegsinteresse in Verbindung gebracht werden (siehe z.B. Prentice & Carranza, 2002). Diese Stereotypen können dazu führen, dass die Leistungen von Frauen systematisch unterschätzt oder übersehen werden, insbesondere wenn sie nicht den gängigen Erwartungen entsprechen.
Männer werden eher nach Potential, Frauen nach Leistung beurteilt
Eine weitere problematische Dynamik ist die Tendenz zu unterschiedlichen Maßstäben bei der Bewertung von Männern und Frauen. Studien haben gezeigt, dass Männer häufig nach Ihrem Potential beurteilt werden, während Frauen eher mit einer absichernden Haltung begegnet wird. Sie müssen erst beweisen, was sie können. Dies kann dazu führen, dass Männer für ihr Potenzial belohnt werden, während Frauen strengere Maßstäbe erfüllen müssen, um ähnliche Anerkennung zu erhalten (siehe z.B. Foschi, 2000; Cruz-Castro & Sanz-Mendelez, 2021). Weiters werden Frauen und Männer zwar ähnlich beschrieben, diese Eigenschaften oder Verhaltensweisen aber tendenziell negativ bei Frauen und positiv bei Männern ausgelegt (Malmström et al., 2017). Diese Verzerrungseffekt wird auch Performance Bias (Dt. Leistungs-Bias) genannt.
Valuing Bias und Viewing Bias
Bei Leistungsbeurteilungen kann zwischen sogenannten Viewing Biases (Dt. Betrachtungs-Bias) und Valuing Bias (dt. Bewertungs-Bias) unterschieden werden. Viewing Biases zeigen sich in der unterschiedlichen Beschreibung von Verhaltensweisen von Arbeitnehmer*innen aufgrund ihres Geschlechts. Valuing Biases zeigen sich in der unterschiedlichen Bewertung dieser Verhaltensweisen je nach Geschlecht. Dabei sind diese Biases nicht nur für die Gleichbehandlung von Frauen relevant, sondern betreffen Männer genauso. Zum Beispiel zeigten Winn & Carian (2023) dass „atypische“ Männer als zu weich in der Kommunikation beschrieben wurden (=Viewing Bias), und Männer im Vergleich zu Frauen schlechter bewertet wurden, wenn sie keine Verhaltensweisen zeigten, die mit Engagement im Job in Verbindung gebracht werden, z.B. Überstunden machen, häufige Dienstreisen, etc. (=Valuing Bias).
Sensibilisierung für Bias allein ist nicht ausreichend
Laut Winn & Carian (2023) können Viewing Biases zwar durch Sensibilisierungstraining reduziert werden, jedoch ist es wahrscheinlich, dass Valuing bias trotz Bias-Sensibiliserungstrainings bestehen bleiben. Dies führt dazu, dass sich ähnliches Verhalten von Frauen und Männer für Frauen weniger auszahlt, was sich in ihren Karrierewegen widerspiegeln kann.
Um eine nachhaltige Gleichstellung von Frauen und Männern zu gewährleisten ist es daher wesentlich, sich neben der Umsetzung von Bias-Sensibilisierungstrainings der Analyse und Umgestaltung von Prozessen der Leistungsbeurteilung zu widmen.
Weiterführendes und Quellen:
- Cruz-Castro, L., & Sanz-Menendez, L. (2021). What should be rewarded? Gender and evaluation criteria for tenure and promotion. Journal of Informetrics, 15(3), 101196.
- Foschi, M. (2000). Double standards for competence: Theory and research. Annual review of Sociology, 26(1), 21-42. https://doi. org/10.1146/annurev.soc.26.1.21
- Malmström, M., Johansson, J., & Wincent, J. (2017). Gender Stereotypes and Venture Support Decisions: How Governmental Venture Capitalists Socially Construct Entrepreneurs’ Potential. Entrepreneurship Theory and Practice, 41(5), 833-860. https://doi.org/10.1111/etap.12275
- Prentice, D. A., & Carranza, E. (2002). What women and men should be, shouldn’t be, are allowed to be, and don’t have to be: The contents of prescriptive gender stereotypes. Psychology of Women Quarterly, 26, 269–281.
- Wynn, A. T., & Carian, E. K. (2023). High-Hanging Fruit: How Gender Bias Remains Entrenched in Performance Evaluations. Social Problems, spad044. https://doi.org/10.1093/socpro/spad044
- Wynn, A., Carian, E. K., Kennedy, S., Wehner, J. (2023, December 20). Research: Why Gender Bias Persists, Even When Organizations Try to Curb It . Harvard Business Review. Research: Why Gender Bias Persists, Even When Organizations Try to Curb It (hbr.org)
Unsere Expert*innen unterstützen Sie bei der Analyse von Leistungsbeurteilungsprozessen.
Nehmen Sie Kontakt auf:
Dr.in Susanne Hamscha Tel: +43 1 581 19 09