Studien zeigen, „kontrastereotype Gedanken“ können automatische Stereotype reduzieren.
Ob es nun darum geht eine freigewordene Stelle neu zu besetzen, Mitarbeiter zu beurteilen, ein Gerichtsurteil zu fällen, oder Schulnoten zu vergeben, der Einfluss von Stereotypen kann in diesen und vielen anderen Situationen zu oftmals schwerwiegenden Fehlern führen. So wird zum Beispiel die ideale Besetzung einer Stelle verabsäumt, weil die geforderten Fähigkeiten nicht zum Stereotyp „Frau“ passen, oder ein_e Afroamerikaner_in wird für dasselbe Verbrechen zu einer strengeren Strafe verurteilt als ein_e Weiße_r.
Wie bei vielen kognitiven Verzerrungen, gibt es auch bei der Stereotypisierung eine starke unbewusste bzw. automatische Komponente. Stereotype schleichen sich unbemerkt in unsere Wahrnehmung ein und verstellen uns so den Blick auf die einzigartige Person, die vor uns sitzt. Die gute Nachricht ist, dass selbst solch unbewusste Mechanismen durch bestimmte Methoden beeinflusst werden können.
Bevor wir eine dieser Methoden genauer betrachten, werfen wir einen kurzen Blick auf den Ursprung und die Funktionsweise von Stereotypen.
Automatische Stereotype – Wie und warum
Stereotype spiegeln eine grundsätzliche und überlebensnotwendige Fähigkeit des Menschen wider Kategorien zu bilden. Gingen unsere Vorfahren auf Jagd durch die Savanne, war es für sie überlebenswichtig schnell entscheiden zu können, ob ein großes, pelziges Tier mit Krallen und Zähnen eine Gefahr, oder eine mögliche Beute darstellt. Bei einer solchen Entscheidung, ist ein „Raubtier-Stereotyp“ eine große Hilfe, um rechtzeitig die Flucht ergreifen zu können. Wahrscheinlich ist es diesem evolutionären Hintergrund geschuldet, dass jeder Mensch dem Einfluss von Stereotypen unterliegt.
Allerdings sind Stereotype um einiges dynamischer als lange angenommen. Aufmerksamkeit, Kontext und unser Selbstbild haben u.a. starken Einfluss darauf, ob und wie stark Stereotype unser Handeln und Denken bestimmen (Blair, 2002). Wie viele andere kognitive Prozesse, müssen auch Stereotype kognitiv zugänglich sein um ihre Wirkung zu entfalten. Bei dieser Zugänglichkeit setzt folgende Methode zur Minderung automatischer Stereotype an.
Counterstereotype Imaging – Die Strategie
Dasgupta und Greenwald (2001) zeigten Testpersonen Fotos von entweder beliebten Afroamerikaner_innen (z.B. den Schauspieler Denzel Washington) und unbeliebten weißen Amerikaner_innen oder von unbeliebten Afroamerikaner_innen und beliebten weißen Amerikaner_innen. Jene Gruppe, die positive Mitglieder der afroamerikanischen Gemeinde sahen, zeigten deutlich weniger unbewusste Vorurteile in einem darauffolgenden Implicit Association Test (IAT), als Proband_innen der anderen Gruppe. Dieser Effekt, ließ sich selbst noch einen Tag nach dem Zeigen der Fotos nachweisen.
In einem ähnlichen Experiment, gaben Blair, Ma und Lenton (2001) Personen die Aufgabe sich fünf Minuten lang eine starke Frau vorzustellen, bevor ihre automatischen Genderstereotype gemessen wurden. Das Vergegenwärtigen eines solchen Kontrastereotyps (engl. Counterstereotype) führte zu einem stark reduzierten Einfluss automatischer Stereotype im Vergleich zu verschiedenen Kontrollgruppen. Dieser Effekt blieb konstant stark und eindeutig über verschiedene Tests hinweg.
In Anbetracht dieser und weiterer Studien, scheint die bloße Vorstellung von Personen die einem gewissen Stereotyp widersprechen, die mentale Zugänglichkeit zu diesem Stereotyp zu erschweren und dessen Aktivierung zu verhindern.
Praxistipp: Denken Sie einfach Ihre Stereotype weg!
Für die Praxis kann also die Empfehlung gegeben werden, z.B. vor dem Führen eines Einstellungs- oder Kundengesprächs sich fünf Minuten Zeit zu nehmen, um an Personen zu denken die einem gewissen Stereotyp widersprechen. Ebenfalls hilfreich kann sein, zu erwarten, dass die Person mit der später interagiert wird, einen solchen Kontrastereotype darstellt.
Die Strategie, Menschen mit kontrastereotypen Bildern zu konfrontieren, wird auch im Rahmen von Diversity Initativen erfolgreich eingesetzt, z.B. durch die Schaffung bzw. Kommunikation von positiven Rollenmodellen (z.B. Frauen im Top-Management) in Organisationen.
Weiterführendes:
- Blair, I. V. (2002). The Malleability of Automatic Stereotypes and Prejudice. Personality and Social Psychology Review, 6(3), 242–261.
- Blair, I. V., Ma, J. E., & Lenton, A. P. (2001). Imagining stereotypes away: The moderation of implicit stereotypes through mental imagery. Journal of Personality & Social Psychology, 81, 828-841.
- Dasgupta, N., & Greenwald, A. G. (2001). On the malleability of automatic attitudes: Combating automatic prejudice with images of admired and disliked individuals. Journal of Personality and Social Psychology, 81, 800-814.