Smart Anti-Bias Design – So reduzieren Sie Biases am Arbeitsplatz!

von | 7. 09. 2016

Damit Diversity eine Chance hat, muss die Architektur von Entscheidungsprozessen verändert werden.

 

„Es ist durchaus möglich, dass all die Zeit und das Geld, welche wir in den letzten Jahrzehnten in Diversity investiert haben, sinnlos war,“ beklagt Harvard-Verhaltensökonomin Iris Bohnet angesichts der kaum veränderten Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen in ihrem Essay im Wall Street Journal. Sie bezieht sich dabei auf ihre eigenen Forschungen und die Untersuchungen von Elizabeth Levy Paluck und Donald P. Green (2009) über die Effekte von klassischen Diversity Interventionen. Letztere analysierten rund 1000 Studien und stellten fest, dass die meisten Diversity Trainings kaum Auswirkungen auf die Vorurteile und Einstellungen der Teilnehmenden gegenüber bestimmter Gruppen zeigten.

 

Klassische Diversity-Trainings sind kaum wissenschaftlich fundiert

Der Grund für die fehlende Wirksamkeit – da sind sich Diversity-ExpertInnen mittlerweile einig – liegt hauptsächlich darin, dass viele Diversity-Trainings weder theoretisch fundiert, noch wissenschaftlichen Standards entsprechen (Ehrke & Steffens, 2015). Zudem werde in den Unternehmen oft nur „Schaufensterdekoration“ betrieben, mit der dann das Gegenteil des Gewünschten erreicht wird (Dover et al, 2016). Bohnet ist überzeugt, dass jeder von uns ein Bündel an unbewussten Vorurteilen, die sogenannten Unconscious Biases, mit sich trägt, welche schwer zu verändern sind. Sie schlägt daher vor, den Fokus verstärkt auf die Organisationen zu richten und die Rekrutierungs-, Beurteilungs- und Beförderungsprozesse so zu designen, dass bias-freie Entscheidungen unterstützt werden.

 

Symphonieorchester: Prozessinnovation mit erheblicher Wirkung

Wie so eine Prozessdesign-Innovation gelingen kann, zeigten die Symphonieorchester in den USA. Um den Frauenanteil zu erhöhen, wurden in den 70er Jahren neue Auswahlverfahren, die Blind Auditions, eingeführt. Dabei wurden die MusikerInnen nicht mehr namentlich vorgestellt, sondern erhielten eine Nummer und sie spielten hinter einem Vorhang. Statt der Dirigenten durfte ein Gremium über die Auswahl bestimmen. Durch diese Änderungen erhöhte sich der Frauenanteil von damals 5% auf heute rund 40%.

Formalisierte Verfahren helfen, Unconscious Biases zu reduzieren. Viele Unternehmen nutzen bereits strukturierte Interviews im Recruiting, bei denen u.a. der Fragentext und die Reihenfolge der Fragen vorgegeben ist. Damit sollen gleiche Bedingungen für alle BewerberInnen hergestellt werden. Im angelsächsischen Raum sind anonymisierte Bewerbungsverfahren weit verbreitet. Dabei werden Bilder, Namen, Geschlecht, Alter, Nationalität oder der Familienstand in den Lebensläufen und Bewerbungsschreiben geschwärzt.

Auch die Softwarebranche hat den Bedarf bereits erkannt. Das amerikanische Startup Unitive entwickelt derzeit an einer Applikation, die HR-Manager Schritt für Schritt bei der Erstellung von Stellenbeschreibungen, in Interviews oder bei der Analyse von Lebensläufen leiten soll. „Wir haben einen Weg gefunden, psychologische Erkenntnisse zu operationalisieren, sodass die Führungskräfte weitgehend bias-frei entscheiden können,“ erklärt Unitive-Gründerin Laura Mather in einem Interview mit dem Fortune Magazin (Zarya, 2015).

 

Einsatz von Reflexionsschleifen und Nudges

Eine andere wirksame Methode, kognitive Fehler auszuschalten, ist der Einbau von Reflexionsschleifen oder Nudges (das Wort Nudge steht für verhaltensökonomische Stupser) in den Entscheidungsprozess. Das können z.B. Checklisten, Erinnerungshilfen oder kollektive Entscheidungen sein. Mehr und mehr Unternehmen gehen dazu über, Einstellungsgespräche mit zwei InterviewerInnen durchzuführen. Auch Beurteilungen von Mitarbeitenden werden zunehmend im Team und anhand transparenter und einheitlicher Kriterien getätigt.

 

Smart Anti-Bias Design: Führungskräfte als Prozess-Architekten

„Die Manager eines Unternehmens sollten sich wie Architekten verhalten“, weist der Harvard Business Manager in seiner Schwerpunktausgabe zu Unconscious Biases (Beshears & Gino, 2015) hin. Es sei deren Aufgabe, das Entscheidungsumfeld ihrer MitarbeiterInnen so zu modifizieren, dass die negativen Auswirkungen von kognitiven Fehlern auf Entscheidungsprozesse reduziert oder zumindest abgemildert werden.

Um diese Aufgabe durchzuführen, brauchen Führungskräfte spezielles Know-how, wie Grundkenntnisse über Verhaltensökonomik, Diversity & Inclusion Management, effiziente Werkzeuge und ein Bewusstsein dafür, wie Unconscious Biases entstehen und welche Auswirkungen diese auf die Organisation haben können. Damit wären wir wiederum bei den oben angesprochenen Trainings und dem Bedarf an veränderten Lernkonzepten. Einige Diversity-Experten, wie Cook Ross in den USA oder factor-D in Österreich, bieten hierzu bereits Anti-Bias-Beratungen und -Trainings an.

Smart Anti-Bias Design nennt die Harvard-Professorin Iris Bohnet (2016) den neuen Ansatz. Sie ist überzeugt, dass wir damit nicht nur einzelne Prozesse verändern, sondern auch unsere gesamten Unternehmen inklusiver und produktiver gestalten können.

 

 

Weiterführendes:

  • Beshears John, Gino Francesca (2015): Der Weg zu weisen Entscheidungen. In: Harvard Business Manager Ausgabe 8/2015
  • Bohnet Iris (2016): Real Fixes for Workplace Bias. In: The Wall Street Journal. http://www.wsj.com/articles/real-fixes-for-workplace-bias-1457713338
  • Dover L. Tessa, Major Brenda and Kaiser R. Cheryl (2016): Members of high-status groups are threatened by pro-diversity organizational messages. In: Journal of Experimental Social Psychology. Vol. 62: 58-67
  • Ehrke Franziska und Steffens C. Melanie (2015): Diversity-Training. Theoretische Grundlagen und empirische Befunde. ResearchGate.net
  • Goldin Claudia and Rouse Cecilia (2000): Orchestrating Impartiality: The Effect of ‚Blind‘ Auditions on Female Musicians. American Economic Review: September 2000
  • Paluck, Elizabeth Levy (2006): Diversity training and intergroup contact: A call to action research. In: Journal of Social Issues 62, no. 3 (2006): 439–451
  • Paluck, Elizabeth Levy and Green P. Donald (2009): Prejudice Reduction: What Works? A Review and Assessment of Research and Practice. In: Annual Review of Psychology Vol. 60: 339-367
  • Zarya Valentina (2015): Startup Tackling Unconscious Bias Raises $7.5 Million in Series A Funding. In: Fortune. Online-Issue Nov 13th, 2015 http://fortune.com/2015/11/13/unconscious-bias-unitive/

 

 


 

 

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