Soziale Erwünschtheit – Selbstdarstellung im Recruiting und bei Umfragen reduzieren
Soziale Erwünschtheit beschreibt die Tendenz uns so darzustellen, wie wir glauben, dass es sozial gebilligt bzw. erwünscht wäre. So geben Personen an, dass Sie Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft kaufen würden. Der Blick in den Einkaufskorb zeigt dann aber oft etwas anderes.
Sozial erwünschtes Verhalten kann einem absichtlichen Täuschungsversuch im Sinne der Fremdtäuschung, aber auch einer unrealistischen Sicht auf sich selbst im Sinne der Selbsttäuschung entspringen (Dorsch et al., 2020). Im beruflichen Kontext kann soziale Erwünschtheit vor allem im Recruiting und in Mitarbeitendenbefragungen zu schwerwiegenden Fehleinschätzungen führen.
Soziale Erwünschtheit im Recruiting – Die Risiken
Einfache Fragebögen bei der Personalauswahl anhand derer Persönlichkeitseigenschaften direkt erfragt werden, sind häufig leicht durchschaubar. So fällt es den meisten Menschen leicht sich selbst besonders positiv darzustellen. Weniger erfreuliche Aspekte werden verschwiegen oder heruntergespielt.
Antworten, die von sozialer Erwünschtheit überlagert werden, lassen keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Persönlichkeit zu. Das kann dazu führen, dass nicht geeignete Kandidat*innen eingestellt oder Personen einem für sie unpassenden Profil zugeordnet werden. Zudem werden Persönlichkeitsfragebögen von potenziellen Mitarbeitenden ab dem mittleren Management sehr kritisch gesehen (Kubinger, 2019). Das kann Nachteile mit sich bringen, wenn es darum geht hochqualifizierte Personen davon zu überzeugen eine Stelle im Unternehmen anzunehmen.
Was tun gegen soziale Erwünschtheit bei der Personalauswahl?
Im Hinblick auf die Einschätzung der Persönlichkeit, empfiehlt sich der Einsatz von mehrstufigen Verfahren. Wenn Persönlichkeitsfragebögen verwendet werden, sollten diese modernen wissenschaftlichen Qualitätskriterien entsprechen und Methoden zur Kontrolle von sozialer Erwünschtheit beinhalten, wie z.B. Lügenskalen, forced-choice Fragen etc.
Ein weiterer Weg sozial erwünschtes Verhalten zu minimieren, ist die richtige Gesprächsführung im Einstellungsgespräch. Hier ist darauf zu achten, möglichst neutral formulierte Fragen zu stellen. Die Frage: „Kümmern Sie andere Personen wenig?“ führt z.B. eher zu einer sozial erwünschten Antwort als die Frage: „Sind Sie der Meinung, dass es besser ist, wenn sich jede*r um sich selbst kümmert?“ (Bäckström et al., 2009). Selbstverständlich kann es selbst bei perfekt formulierten Fragen zu falschen Angaben sowohl im Sinne der Fremd- als auch der Selbsttäuschung kommen.
Um den Wahrheitsgehalt einer bestimmten Antwort zu prüfen empfiehlt es sich daher, nach konkreten Beispielen und Strategien aus der Vergangenheit der Person zu fragen. Eine Beispielsfrage zum Umgang mit Stress wäre: „Erzählen Sie über eine Situation, in der Sie Ihre Belastbarkeit unter Beweis gestellt haben? Wie sind Sie dabei vorgegangen?“
Eine gute Gesprächsführung ist nicht selbstverständlich, sondern muss erlernt werden. Unterstützung bieten hier spezielle Schulungen, wie Unconscious Bias Trainings für HR.
Im Rahmen von mehrstufigen Auswahlverfahren werden zudem noch weitere Tests, wie z.B. in Assessment-Centers oder Arbeitsproben, durchgeführt.
Soziale Erwünschtheit bei Mitarbeitendenbefragungen
Auch bei Mitarbeitendenbefragungen, z.B. zu Diversity & Inclusion, kann es zu sozial erwünschten Antwortverhalten kommen. Das erschwert die wahrheitsgetreue Einschätzung über die Situation der Mitarbeitenden. Auf Aussagen wie beispielsweise: „Setzt sich unser Betrieb für Vielfalt ein?“ oder „Werden bei uns alle Mitarbeitenden gleichbehandelt“ wird man entweder sozial erwünschte Antworten erhalten oder nicht zwingend die Realität in der Organisation abbilden.
Der zielführendste Weg dies zu vermeiden, ist eine ausreichende Anonymisierung zu gewährleisten. Zudem sollten Fragen so gestellt werden, dass sie Antworten aus eigner Perspektive ermöglichen. Beispiele: „Meine Kolleg*innen geben mir das Gefühl, zum Team zu gehören“ oder „Mein Team ist offen für personelle Vielfalt“
Weiterführendes und Quellen:
- Bäckström, M., Björklund, F., & Larsson, M. R. (2009): Five-factor inventories have a major general factor related to social desirability which can be reduced by framing items neutrally. In: Journal of Research in Personality, 43(3), 335–344. https://doi.org/10.1016/j.jrp.2008.12.013
- Dorsch, F., Wirtz, M. A., & Strohmer, J. (2013). Lexikon der Psychologie (19. Auflage). Hogrefe.
- HR Diagnostics: Soziale Erwünschtheit in der Personalauswahl. https://www.hr-diagnostics.de/wissen/soziale-erwuenschtheit-in-der-personalauswahl
- HR Diagnostics: Was die neue DIN 33430 mit sich bringt. https://www.hr-diagnostics.de/wissen/was-die-neue-din-33430-mit-sich-bringt
- Kubinger, K. D. (2019). Psychologische Diagnostik: Theorie und Praxis psychologischen Diagnostizierens. Hogrefe
- Voß Eva (2020): Diversity & Inclusion bei Mitarbeiterbefragungen. In: Human Resources Manager. https://www.humanresourcesmanager.de/news/eva-voss-diversity-check-diversity-and-inclusion-in-mitarbeiterbefragungen.html
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