Anonyme Bewerbungen werden kontroversiell diskutiert. Wir zeigen in zwei Teilen die Vor- und Nachteile des Verfahrens, wie es ausgestaltet werden kann und was dabei zu beachten ist.
Teil 2 – Checkliste zur Umsetzung
Analysieren Sie das bestehende Rekrutierungsverfahren
Wenn Sie und Ihr Unternehmen überlegen, ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren einzuführen, empfiehlt es sich zuvor mit den Rahmenbedingungen und dem bisherigen Rekrutierungsprozess zu beschäftigen.
Für eine Voranalyse stellen Sie sich folgende Fragen:
- Was ist Ihre Motivation für ein solches Verfahren? Gab es in der Vergangenheit zu wenig Einstellungen von Frauen, älteren Personen oder Minderheitenangehörigen? Möchten Sie die Rekrutierung objektiver gestalten oder einfach nur anonyme Bewerbungsprozesse testen? Für welche Stellen soll anonymisiert werden?
- Was sind Gründe für zu wenig Einstellungen von Mitgliedern von bestimmten sozialen Gruppen? Liegt es an zu geringen Bewerbungszahlen oder am internen Rekrutierungsprozess?
- Wie und über welche Kanäle wurde bisher rekrutiert? Welche Texte und Bilder wurden verwendet? –> siehe auch Artikel Gender Bias durch Wörter
- Analysieren Sie bisherige Auswahlentscheidungen. So können Sie etwaige Unconscious Biases sichtbar machen: Auf welche Angaben in den Bewerbungsunterlagen wurde besonders Wert gelegt und warum? Welche Personentypen wurden bevorzugt? Zeigen sich sonstige Muster in der Auswahl?
Vorsicht: Wenn Ihr Unternehmen bisher Minderheitenangehörige bevorzugt eingestellt hat, z.B. bei gleicher Qualifikation, könnte ein anonymes Bewerbungsverfahren dem Ziel einer positiven Diskriminierung entgegenwirken.
Legen Sie klare Bewertungskriterien fest
Schärfen Sie Ihre Anforderungsprofile durch eindeutige und nachvollziehbare Bewertungskriterien. Hinterfragen Sie insbesondere jene Muster, die bei der Voranalyse aufgezeigt wurden. Für jedes der Kriterien sollten verhaltensbasierte Bewertungsskalen erarbeitet werden. Was sind die Must-haves? Welche Kenntnisse, wie beispielsweise Hobbys oder Sprachkenntnisse, sind weniger wichtig?
Wählen Sie eine geeignete Methode für anonyme Bewerbungen
Es gibt grundsätzliche drei Methoden für anonyme Bewerbungen.
- Standardisierte Bewerbungsformulare: Diese werden auf die erforderlichen Kompetenzen und Qualifikationen angepasst und können von den Bewerbenden entweder online oder nach Download ausgefüllt zurückgeschickt werden. Persönliche Daten werden erst gar nicht abgefragt oder bleiben für die Beurteilenden vorerst unzugänglich.
- Übertragung der (nicht sensiblen) Daten aus den Bewerbungsunterlagen in ein Formular oder eine Tabelle durch Personen, die nicht in das Beurteilungsverfahren eingebunden sind.
- Unleserlich machen oder Schwärzen von sensiblen Informationen in den Bewerbungsunterlagen. Diese Methode erfordert kaum Umstellungen, ist aber in der Praxis umständlich und fehleranfällig.
Legen Sie fest, was anonymisiert werden soll
Anonymisierungen können unterschiedlich umfangreich ausfallen. Denn neben den persönlichen Daten, wie Name, Geburtsdaten, Geschlecht, Nationalität, Familienstand usw., sind auch andere Merkmale potentielle Faktoren für Benachteiligungen. Dazu gehören beispielsweise Fotos, Wehrdienst, Elternzeit, Zeugnisse und auch Sprachkenntnisse, insbesondere wenn es nicht um gängige Weltsprachen, wie Englisch, Spanisch oder Französisch, handelt. Grundsätzlich kann alles anonymisiert werden, was nicht für die Ausübung der Tätigkeit tatsächlich relevant ist.
Evaluieren Sie die Ergebnisse
Analysieren Sie das Verfahren, sobald genug Fälle vorliegen und die Anonymisierung zur Routine geworden ist. Befragen Sie die in den Prozess involvierten Personen, um Erfahrungen und Einschätzungen zu erheben.
Weiterführendes:
- Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2012): Leitfaden für Arbeitgeber. Anonymisierte Bewerbungsverfahren. Berlin. antidiskriminierungsstelle.de
- Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2010) Häufig gestellte Fragen und Antworten zu anonymisierten Bewerbungsverfahren; ADS
- Gächter (2015): Anonymisierung von Bewerbungen: Ein Überblick über die Forschungsliteratur. ZSI – Zentrum für soziale Innovation: Wien
In unseren Workshops „Unconscious Bias im Recruiting“
erlernen Sie, wie Sie Recruitingprozesse
möglichst bias-frei gestalten können.
Nehmen Sie Kontakt auf:
Manfred Wondrak, MBA
Tel: +43 1 581 19 09